"Muss ich fasten?"

von Lektor Tobias Böker
Foto: Andreas Gauding

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Wir befinden uns gerade mitten in der Fastenzeit. Aber muss ich als Christ überhaupt fasten? Leider lässt sich diese Frage wie so oft im Leben nicht nur mit einem Ja oder Nein beantworten. Es bedarf einer genaueren Betrachtung. Es ist kompliziert, aber nicht unlösbar.

In der Bibel nimmt das Fasten einen hohen Stellenwert ein. Die Menschen in der Bibel fasten aus den unterschiedlichsten Gründen. Aufgezählt werden hier z. B. aus Trauer im 2. Sam 1, 12. Im 2. Sam 16, 16 geht es, um etwas zu untermauern im eigenen Gebet. Oder wie im Jona 3, 5 als Bußfasten, um selbst eine Veränderung an sich zu unterstreichen.

Bei Jesus ist es alles etwas komplizierter. Er selbst hat 40 Tage und Nächte in der Wüste gefastet. Aus diesem Fasten resultiert unsere heutige Fastenzeit vor Ostern. Andererseits ist ihm aber auch wichtig, dass Fasten nicht um des eigenen Willens vollzogen wird, sondern es soll dazu dienen, sich komplett auf Gott zu konzentrieren.

In diesem Zwiespalt, der Notwendigkeit und der Freiheit des Fastens, befinden sich heute auch noch die christlichen Kirchen, was die Frage nach dem Fasten angeht. Seit ungefähr dem 4. Jahrhundert gibt es die vierzigtägige Fastenzeit vor Ostern. Und im Laufe der Zeit haben sich hieraus viele Vorschriften entwickelt, wie zum Beispiel der Verzicht auf Fleisch.

Aus diesen Vorschriften entstand auch der Glaube, dass man das halt so macht, um vor allem anderen zu gefallen und, um als guter Christ da zu stehen. Gegen diese Gefahr protestierten schon die Reformatoren, sich als Mensch beim Fasten in den Mittelpunkt zu stellen. Als provokante Gegenaktion kam es in Zürich zum „Wurstessen“, um deutlich zu machen, um was es im biblischen Sinne beim Fasten geht. Nämlich sich selbst neu auszurichten auf Gott und nicht, um eine religiöse Pflicht, die menschengemacht ist.

Für mich persönlich gilt: Fasten ja, wenn es einem hilft, die Beziehung zu Gott neu zu überdenken und zu stärken, indem man auf bestimmte liebgewonnene Sachen verzichtet, die einem im Wege stehen, zur Beziehung zu Gott.

Fasten nein, wenn es nur um die Tatsache geht, anderen zu gefallen und, um seinen christlichen Glauben zu erfüllen.

Sie sehen, mit dem Fasten ist es nicht immer so einfach. Wie sehen Sie es mit dem Fasten? Fasten: ja oder nein?